Grafik und Protest: Solidarnosc

Was als gewerkschaftliche Protestbewegung in Polen 1980 entstand, wird heute als entscheidender Schritt hin zum Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks gesehen: Solidarność („Solidarität“). Aus grafischer Perspektive interessant: Der Schriftzug, der wie kaum ein anderes grafisches Zeichen diese Bewegung bildlich verstärkte und zu einer Ikone für Protestbewegungen weltweit wurde.

Nach mehreren von der Sowjetunion brutal niedergeschlagenen Reformbewegungen im Ostblock – etwa in Ungarn 1956 oder im Prager Frühling 1968 –, wurde es zu dieser Zeit kaum für möglich gehalten, sich gegen die kommunistischen Machthaber aufzulehnen. Trotzdem gelang es 1980 einem immer größer werdenden Kreis der Arbeiterschaft, mit dieser Protestbewegung dem in gesamten Ostblock weit verbreiteten Gefühl von Unterdrückung und unübersehbar perspektivlosen Lebensumständen Ausdruck zu verleihen. Solidarność wurde dabei von Anfang an auch von regimekritischen Intellektuellen und der – traditionell überaus einflussreichen – katholischen Kirche in Polen unterstützt.

„Starke Politik ermöglicht starke Bilder und umgekehrt“, meint der amerikanische Autor Lawrence Weschler. – Solidarność liefert hiefür ein anschauliches Beispiel, indem es gelang, aus dieser Bewegung Symbole hervorzubringen, die weit über den ursprünglichen Wirkungskreis hinaus bedeutsam werden sollten: Personell etwa in Gestalt von Lech Wałęsa, dem Vorsitzenden dieser Gewerkschaft und späteren Präsidenten des Landes; visuell in Form eines Schriftzugs, der wie kaum ein anderes grafisches Zeichen diese Bewegung bildlich verstärkte und zu einer Ikone für Protstbewegungen weltweit wurde.

Gestaltete wurde das Logo vom Grafiker Jerzy Janiszewski, wobei er sich von Graffitis in den Danziger Werften, dem Ausgangsort der Bewegung, inspirieren ließ. Sein in kräftigen Pinselstrichen gemaltes, mit einer nach vorne stürmenden Fahne (die sich unübersehbar als ironische bildliches Zitat lesen lässt, bedienten sich doch gerade die kommunistischen Regime exzessiv dieser Fahnensymbolik) versehenes Logo verhalf den Anliegen der Protestbewegung zu einer einfach merkbaren, prägnanten Form, das schnell in das kollektive Bildgedächtnis der polnischen Bevölkerung Eingang fand und so zu einem gemeinschaftsstiftenden Symbol wurde.

So wichtig Zeichen und Symbole auch sind: Sie alleine machen noch keine politische Bewegung. Lawrence Weschler: „Die Autorität politischer Kunst [ist] letztendlich bestenfalls proportional zur Autorität der Politik, die sie befördert, zu verstehen […] . Politische Bilder müssen über Autorität verfügen um zu funktionieren, sie können aber nur die Autorität und Authentizität des politischen Kontextes wiedergeben, der sie hervorgebracht hat. Sie können leerer Politik keine Lebendigkeit verleihen, und leere Politik wird ihnen die eigene Lebendigkeit entziehen.“ – Solidarność war eben keine „leere“ Politik, sondern einer der wichtigsten Ausgangspunkte für die 1989 tatsächlich vollzogenen Wende in Osteuropa, welche die kommunistische Ideologie in Gestalt der stalinistischen Diktaturen Osteuropas nach Jahrzehnten totalitärer Herrschaft innerhalb weniger Monate beseitigte.

Dieser und weitere Texte zu interessanten Zusammenhängen zwischen Grafikdesign und Protestbewegungen finden sich in der WEI SRAUM-Ausstellung Schaut Shout! Grafik und Protest




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